Für den derzeit einzigen AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla, der sich mit seinem „TeamZukunft“ beim Bundesparteitag in Riesa (Sachsen) vom 17.06.2022 bis 19.06.2022 zur Wiederwahl stellt, hätte es dramaturgisch am vergangenen Wochenende optimal laufen können: Bei den Landratswahlen in Sachsen wollte die AfD so richtig abräumen und es den Altparteien zeigen (Arbeitsbegriff: „sie jagen“). Immerhin war die AfD in ihrem „Protest-Stammland“ mit den historisch höchsten Ergebnissen bei Landtags- und Bundestagswahlen von den Demoskopen als stärkste Partei auch für die Landratswahlen gesehen worden. Dementsprechend groß war die Angst des politischen Establishments – und der konzentrierte mediale Gegenwind vor der Sachsen-Wahl, bei dem von den Wählern eine „Brandmauer gegen Rechts“ eingefordert und zur Wahl des jeweiligen AfD-Gegenkandidaten aufgerufen wurde. Sicherheitshalber wurde überregional schon gar nicht berichtet, dass in Sachsen Wahlen anstanden.
Chrupalla hätte somit in Riesa – mit einem glorreichen Wahlerfolg im Rücken – starke Argumente für seine eigene Wiederwahl vortragen können (und hätte im Schlepptau die angeschlagene Alice Weidel geschmeidig mitnehmen können). Und bei seinem sächsischen Heimspiel hätten seine Gegenkandidaten Nicolaus Fest und Norbert Kleinwächter im Erfolgsfall der Wahlen eigentlich gleich einpacken können. Auch die noch im „Gebüsch“ lauernden Joana Cotar oder Rüdiger Lucassen hätten dann wohl keine Chance gehabt. Doch nach den Wahlen steigt jetzt unerwartet der Druck auf Chrupalla, denn seine Gegenspieler (selbst bei Wahlen alles andere als erfolgreich) werden die Ergebnisse voraussichtlich genüsslich gegen Chrupalla verwenden. Ausgang in Riesa: Ungewiss.
Wie gut die Propaganda des Parteien- und Medienkartells selbst bei den als besonders resistent geltenden Sachsen gewirkt hat, zeigt sich insbesondere darin, dass die AfD mindestens zwei der neun Landratsposten (allerdings trat sie nur in acht Landkreisen an) für sich erobern wollte – und beim ersten Wahldurchgang nicht einen einzigen erreichte. Mit Ausnahme des „Erzgebirgskreises“ (17,8%) und „Leipzig“ (19,4%) erreichte man zwar Resultate jenseits der 20%-Marke, von denen die „Parteifreunde“ im Westen nach zehn Jahren noch immer nur träumen können, aber die insgeheim angestrebten mindestens 28%-30% liegen doch deutlich außer Reichweite. Bei den noch anstehenden zweiten Wahlgängen im Juli bleibt zumindest die Hoffnung, dass man ggf. in „Görlitz“ und „Bautzen“ noch eine kleine Restchance besitzt. Da im Juli ausschliesslich die absoluten Ergebnisse zählen, werden sich die Altparteien aber wieder „verabreden“ und den erfolgsversprechenden AfD-Gegenkandidaten gemeinsam unterstützen. Hat bei der letzten Landtagswahl bereits hervorragend funktioniert! Somit werden wohl auch die restlichen Mandate an die CDU gehen – mit Ausnahme von „Mittelsachen“, in dem sich wohl der Einzelbewerber durchsetzen wird.
Eine besonders erfolgreiche Performance konnten die „Freien Sachsen“ hinlegen, von denen sich die AfD noch unter der Meuthen-Ägide im Bundesvorstand ausdrücklich distanziert hatte (Aufnahme in die „Unvereinbarkeitsliste“). Im Wahlkreis „Sächsische Schweiz-Osterzgebirge“ erzielte die aktive Bürgerbewegung aus dem Stand 10,5%, im „Erzgebirgskreis“ 10,0% und in „Nordsachsen“ sogar 20,0%! Dieses Wählerpotential wurde eindeutig von der AfD abgezogen – im „Erzgebirgskreis“ wurde damit das gesamte Wählerpotential der AfD im Segment der „Protest-Wähler“ (27,8%) gespalten, die AfD hätte dort stärkste politische Kraft werden können (CDU: 26,3%). Der Erfolg der „Freien Sachsen“ ist einerseits noch auf die „Meuthen-Beschimpfungen“ der eigenen Wähler, andererseits aber auch auf die passive politische Präsenz der AfD-Landtagsfraktion zurückzuführen. Aus Sicht erheblicher Wählerkreise wird in Dresden eine Politik „mit angezogener Handbremse“ betrieben – und das erhebliche Protest-Potential sucht sich neue politische Verbündete.
Auch bei der Bürgermeisterwahl in Dresden blieb der AfD.Kandidat deutlich hinter den Erwartungen zurück: Maximilian Krah, immerhin Europa-Abgeordneter, belegte mit nur 14,2% lediglich den vierten Platz. Es ist zu befürchten, dass nunmehr der skandalträchtige Amtsinhaber Dirk Hilbert („Unabhängige Bürger für Dresden e.V.) erneut im Juli das Rennen machen wird.
Auch ein Blick nach Thüringen (Bürgermeisterwahlen) liefern aus Sicht der AfD ein Armutszeugnis: In der Landesübersicht erreicht die AfD lediglich 0,3% (in nahezu allen Städten und Gemeinden stellte man erst gar keine Kandidaten!). Wie aber will man sich dauerhaft bei den Bürgern verankern und den Anspruch auf eine „Volkspartei“ aufrecht erhalten, wenn man zu kommunalen Wahlen erst gar nicht antritt?
Die Wahlergebnisse vom vergangenen Wochenende liefern alles andere als einen Rückenwind für Chrupalla & Co. – zu befürchten ist demnach, dass es in Riesa keine „Richtungsentscheidung“ (vor allem als klares Gegenangebot gegen das neu auftauchende „Zentrum“ mit Meuthen & Co.) geben wird, sondern der künftige AfD-Bundesvorstand wieder einen mittelmäßigen „Mix“ aus erfolg- und leistungslosen „Westvertretern“ und einigen wenigen „Ostvertretern“ aufweisen wird. Dieser unsägliche „Gemeinschaftsvorstand“ wird aber bei der Partei keine Trendwende einleiten – im Gegenteil: Der siechende Niedergang der Partei wird sich bei den kommenden Wahlen in Niedersachsen (Herbst 2022) sowie Bremen, Schleswig-Holstein (Kommunalwahl), Bayern und Hessen (alle 2023) fortsetzen, der Trend zur Verzwergung im Westen, bei der sich vor allem die Landesverbände NRW und Schleswig-Holstein bereits hervorgetan haben, wird weiter anhalten und das Entstehen weiterer fundamentaloppositioneller „Alternativen“ wie die „Freien Sachsen“ im Osten oder „dieBasis“ im Westen werden der AfD zunehmend das Wählerpotential entziehen. Sollten sich in Riesa Fest oder Kleinwächter wider Erwarten sogar durchsetzen, wird sich dieser zu befürchtende Negativtrend sogar noch verstärken.









